minimalraum
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WOLLUST

GIAN MICHELLE GROB und MASSIMO MILANO
3. November 2012 bis 3. Januar 2013

Es ist mehr als blosse Verlockung und mehr als das Spiel mit dem Reiz. Die Wollüstigen nämlich unterliegen dem Zwang, ihre Lust und Begierde mit allen Mitteln zu befriedigen. Und so zeigen die historischen Darstellungen zur luxuria, was auch mit Prunkliebe, Genussucht und Ausschweifung zu übersetzen ist, Menschen im Lustgarten, in dem Wein und aphrodisierende Früchte dargeboten werden; Musikinstrumente liegen achtlos umher, es wird Unzucht betrieben, das Geschlecht ist entblösst und der nackte Hintern wird lustvoll geschlagen. In anderen Werken trollen sich Mensch und Tier gemeinsam, ihre nicht haltbare Gier zu befriedigen, offensichtlich zur Schau getragen und in phantasievollen Handlungen verstrickt. Als Gegenstück zur Keuschheit wird umgangssprachlich die Wollust ihrem eigentlichen Wortsinn, nämlich ausgehend von wollen und Lust, ausser Kraft gesetzt und synonym zur körperlichen Lustbefriedigung oder auch Fleischeslust verwendet. Immer wieder begegnet uns bis heute dieses Phänomen im gesellschaftlichen Alltag, derer sich Männer wie Frauen nicht entziehen können. Erstaunlich ist dabei, dass bei triebgesteuerten Menschen in der Regel dem geschlechtlichen Gegenüber die Verantwortung zugewiesen wird. Sie werden zu Angeklagten einer vermeintlich körperlichen Machtlosigkeit des Begehrenden über die sonst so beherrschten Begierden.
Die Gemeinschaftsarbeit von Gian Michelle Grob und Massimo Milano thematisiert an mehreren Punkten die Komplexität von Wollust als Teil der heutigen Gesellschaft. So wird die weibliche Figur in einem Rahmen gefangen dargestellt und ist den Blicken ungehindert ausgeliefert. Der Körper ist fast zum Greifen nah, die Brust formt sich hinter dem Glas ab, und gleichzeitig weist die entgegen gestreckte und geöffnete Handfläche die Betrachtenden in ihre Schranken; die Geste der Zierde gibt es in der Wollust nicht. Auch wenn das Bild im Bild als Schaffung von Distanz verstanden werden kann, so ist diese doch nur medial angelegt. Fragen nach Begehren und begehrt werden kommen auf und den daraus resultierenden Folgen für das jeweilige Gegenüber. Ob dies so verstanden wird oder zu verstehen ist, deutet die männliche Figur nur an ohne eindeutig Stellung zu beziehen. Sie ist dicht vor die Frau gerückt und nähert sich mit gezieltem Blick und greifender Hand zur Begehrten. Und dennoch: Das Gemeinschaftswerk von Grob und Milano arbeitet nicht mit dem Aufzeigen von Gut und Böse wie einst, sondern hinterfragt auf eigenwillige und berührende Weise, wie weit wir uns tatsächlich von einer Kategorisierung der beiden Antipoden entfernt haben und einen anderen Weg einzuschlagen in der Lage sind.

Gian Michelle Grob (*1980 in Will (SG), lebt und arbeitet in Luzern), Künstlerin mit facettenreichem Œuvre, das Objekte, Video, Wollarbeiten und Fotografie umfasst. Mit einem ausgezeichneten Gespür für die tatsächlichen und die symbolischen Eigenschaften von diversen Materialien befragt sie diese durch ihre Transformationen in neue Kontexte und Zustände. Sie arbeitet mit der Sprache der Ironie und des Humors gleichermassen wie auch mit Bildern, die aus unseren (Alb-)Träumen stammen könnten. Stets sind es Themen, die die Betrachtenden auf subtil-persönlichen Ebenen ansprechen und sie mit sich selbst konfrontieren. Ausgezeichnet mit mehreren Atelierstipendien im In- und Ausland sowie ersten Preisen, beeindruckt die Zahl ihrer Einzel- und Gruppenausstellungen in der Schweiz, in den Niederlanden, in Italien, Finnland und Schweden.

Massimo Milano (*1968 in Süditalien, lebt und arbeitet in Rapperswil und Zürich), freischaffender Illustrator und Künstler. Er gründete 2006 den Raum62 in Rapperswil und stellt seit 2010 im zweimonatigen Turnus in dem von ihm gepachteten minimalraum in Rapperswil aus. Als Künstler nähert er sich primär mit dem Medium der Zeichnung, aber auch mit Installationen und Video seinen Themen, die er aus der Beobachtung und Auseinandersetzung mit dem Menschen in seiner Umwelt generiert. Darin haben zwielichtige Gestalten ebenso Platz, wie Strich gewordene Hoffnungen, ängste und Tabus. Grossformatiges entsteht mit minutiösem Strich, Einheitsfassaden, Gesichtslose, Gepeinigte und Andersartige verweisen auf gesellschaftliche Rahmen und Zwänge, während hier und dort scheinbar ganz Banales durch seine Arbeit unsere Aufmerksamkeit erhält. Seine Arbeiten sind auf internationalen Ausstellungen zu sehen, er erhielt mehrere Preise und Stipendien.

Eindrücke der fünfte Vernissage von projzwei zum Thema WOLLUST vor dem minimalraum in Rapperswil.